Forschergruppe „Philologie des Abenteuers“
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Abenteuer ‚avant la lettre‘: Umwegiges Erzählen im antiken Liebesroman

Religionswissenschaft, FU Berlin
Projektleiterin: Prof. Dr. Susanne Gödde
Mitarbeiterin: Nathalie Schuler

Aphrodite_Anadyomene_from_Pompeii_cropped

Aphrodite Anadyomene mit Eroten, Fresko aus Pompeii, 1. Jh. n. Chr. 

In diesem Teilprojekt sollen die fünf vollständig erhaltenen antiken griechischen Liebes- und Abenteuerromane (Chariton, Xenophon von Ephesos, Longos, Achilles Tatios und Heliodor) einer Relektüre unterzogen werden, die – stärker als bisher geschehen – Bausteine einer Genese und Poetik des europäischen Romans freilegt. Die Fokussierung des Materials unter dem Gesichtspunkt der erzähltheoretischen, psychologischen, ethischen, politischen und ästhetischen Kategorie des Abenteuers verspricht einen innovativen Blick auf die gut erforschten Romane, deren Beitrag zu einer Geschichte des Abenteuerromans bisher vernachlässigt wurde. Eine der Ausgangsthesen des Teilprojektes ist, dass im antiken Roman ein bestimmtes – und bis in die Frühe Neuzeit und darüber hinaus populäres – Erzählschema in enger Abhängigkeit von der Erlebnis- oder Ereigniskategorie des ‚Abenteuers‘ (wenn auch avant la lettre) und insofern als ‚abenteuerliches Erzählen‘ begründet wird. Dabei werden die Themenkomplexe Liebe, Abenteuer und Erzählen eng miteinander verschränkt.

In einem Basisbereich des Teilprojekts soll unter den folgenden fünf Gesichtspunkten eine Phänomenologie des antiken Abenteuers erarbeitet werden: 1. Semantische Felder, 2. Verhältnis zu Mythos und Epos, 3. Unsicherheitsdiskurse (Krieg, Meer, Reise, Fremde, Schicksal), 4. das Bachtinsche Theorem der Abenteuerzeit, 5. der (imperiale bzw. kosmopolitische) Raum des Abenteuers. In einem zweiten Schritt soll diese Phänomenologie für eine ‚Philologie des Abenteuers‘ genutzt werden, die untersucht, wie die antiken Romane die Erfahrungsmuster des Abenteuers zugleich als Mechanismen einer kunstvoll-künstlichen narrativen Ordnung reflektieren, deren festgeschriebenes und bisweilen subversiv umspieltes Telos im happy end besteht.

Auf dieser Grundlage sollen zwei eng miteinander verknüpfte Forschungsstränge verfolgt werden: Fokusbereich I wird sich mit der ‚arrangierten Kontingenz‘ beschäftigen, die das Erzählschema der Romane bestimmt, und dabei insbesondere nach der religiösen (göttlichen, kontingenten, providentiellen) Ordnung des Abenteuers fragen. Der zweite Fokusbereich soll die Verflechtungen von Liebes- und Abenteuerdiskurs sowie die gendertheoretischen Implikationen dieser Verschränkung erarbeiten. Diese Fragestellung hat einen diskursanalytischen sowie einen erzähltheoretischen Anteil: Das noch genauer zu kontextualisierende Phantasma der Jungfräulichkeit, das die Erfüllung der Liebe aufschiebt, findet ein Pendant in der (An)spannung der Leser und inauguriert die ‚Lust am Text‘ sowie ein ‚reading for the plot‘.

Zugeordnete Schwerpunkte: