Forschergruppe „Philologie des Abenteuers“
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‚De l’aventura qe avenc‘ – Das Abenteuer-Schema in der altfranzösischen und altoccitanischen Erzählliteratur des 12. Jahrhunderts

Romanische Philologie, LMU München
Projektleiter: 
Prof. Dr. Bernhard Teuber

Bisclavret_from the Rochester Bestiary

Rochester Bestiary, ca. 1230.
© British Library Board (Royal MS 12 F. xiii, f. 29r).


Das Teilprojekt untersucht das Abenteuerschema der altfranzösischen und teilweise auch altoccitanischen Verserzählungen des 12. bzw. 13. Jahrhunderts, wie es sich vorrangig in den Lais der Marie de France und in den fünf überlieferten Ritterromanen des Chrétien de Troyes darstellt und wie es im Jaufré, dem einzigen altoccitanischen Artus-Roman, fortgesetzt wird. Dabei soll gezeigt werden, dass das emergierende und erfolgreiche Dispositiv des ritterlichen ‚Abenteuers‘ (aventure) und die ihm zugeordneten narrativen Realisierungen an einer Scharnierstelle stehen zwischen den Frühformen des Abenteuers im antiken Roman einerseits und den frühneuzeitlichen Rittererzählungen von Ariost und Cervantes andererseits.

Antike Schemata inszenieren Wechselfälle der unbeherrschbaren Fortuna, binden jedoch die „Abenteuerzeit“ (Bachtin, Formen der Zeit im Roman) des Liebespaares an die Vorsehung zurück. Die frühneuzeitlichen Manifestationen des Schemas bei Ariost und Cervantes verhandeln hingegen das Abenteuer des Ritters im Modus affichierter Fiktionalität oder offener Parodie. Bei den genannten altfranzösischen und altoccitanischen Texten bewegt sich der gückliche Ausgang des Abenteuers zwischen den Polen blinder Kontingenz und übersinnlich oder göttlich garantierter Providenz. Die mittelalterlichen Werke sind nämlich weder philosophische noch theologische Diskurse, sondern fiktionale, unterhaltsame Erzählungen, die sich von anderen synchronen Erzählgattungen deutlich unterscheiden. Sie bringen mit der matière de Bretagne das vor- oder außerchristlich Wunderbare ins Spiel, welches die Handlung entscheidend determiniert. Ein direkter Bezug zur göttlichen Sphäre christlicher Religion ist nicht ersichtlich. Im Teilprojekt soll darum das Dispositiv des Abenteuers auf sein Verhältnis zum erlebenden Selbst befragt werden.

Für den Ritter und möglicherweise auch für seine Gefährtin ist das Abenteuer, das ihm begegnet, sowohl Ausweis der Unverfügbarkeit des „Abenteuerwegs“ (Xuan, Subjekt der Herrschaft) als auch Erlebnis einer glücklich überstandenen Gefährdung. So ergibt sich eine enge Artikulation zwischen der bestandenen „Prüfung“ (Bachtin) und der Erzählung davon – durch den Ritter oder durch Dritte. Schwerpunktmäßig wird im Teilprojekt der notwendig retrospektive Erfahrungstyp des Abenteuers, das immer schon auf den Ritter zugekommen ist („l’aventura qe avenc“, Jaufré), als Dispositiv einer spezifisch mittelalterlichen Form der Subjektivierung profiliert werden, in der sich das Selbst absichtsvoll fremden Handlungsmächten aussetzt und im Durchlaufen des ‚Abenteuerwegs‘ soziale Identität, geschlechtsadäquaten Habitus sowie politische Souveränität gewinnt.

Zugeordnete Schwerpunkte: