Forschergruppe „Philologie des Abenteuers“
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Jenseits des Abenteuers

Dieser Forschungsschwerpunkt reagiert auf die Beobachtung, dass die Dynamik des abenteuerlichen Erzählens häufig von dem Anspruch getrieben scheint, aus der eigenen Serialität auszubrechen, eine Außengrenze zu erreichen, deren Überschreitung gleichsam das Ende aller abenteuerlichen Überschreitungen bedeuten würde. Das Wort „Jenseits“ bezeichnet hier somit nicht ein bloßes Anderes des Abenteuers, sondern ein ‚Außen‘, das auf das abenteuerliche Erzählen bezogen bleibt und bestimmend auf dieses zurückwirkt. Dieses zunächst unbestimmte Außen bedarf der narratologischen Erforschung, weil es die Struktur der Texte bestimmt. Die Tendenz zur Überschreitung seiner eigenen Prämissen ist also im Abenteuerparadigma selbst angelegt und erkennbar.

Das Motiv, das diesen Anspruch auf ein ‚Jenseits‘ des Abenteuers idealtypisch symbolisiert, ist der Gral. Er markiert im arthurischen Roman eine Grenze, welcher sich das ritterliche Abenteuer in der Konsequenz seiner eigenen Steigerungs- und Überbietungslogik annähert, ohne sie überschreiten zu können. Auch für die Erzählkultur späterer Epochen steht das Begrenzungsproblem des Abenteuers zur Diskussion und mit ihm die Suche nach einem religiösen oder säkularen ‚Jenseits‘, auf das dieses hindrängt: das Trauma, das leere Zentrum, das Herz der Finsternis – irgendeine unhintergehbare Grenze, an der sich der phantasmatische Abenteuerstrom bricht.

Auf eine andere, säkulare Form des ‚Jenseits‘ zielt die Suche nach Realitätskernen im abenteuerlichen Erzählen – eine Suche, die die Literatur selbst von dem Moment an betreibt, in dem sie den phantasmatischen Charakter des Abenteuers als Mangel markiert. Damit steht die Frage nach der „Kontaktzone“ (Bachtin) zwischen dem abenteuerlichen Erzählen und seinem gesellschaftlichen Außen im Raum, die die Gattung des Romans bis heute beschäftigt und die im englischen Sprachraum sogar zu einer Spaltung seines Begriffs (romance vs novel) geführt hat. Unter den Bedingungen moderner und zumal digitaler Massenmedien schließlich wird die potentiell grenzenlose Fortsetzbarkeit des Abenteuers aufs Neue zum ästhetischen Prinzip – als ungebremstes Wachstum einer Serialität im Zustand intermedialer Expansion. Unter diesen medialen Bedingungen befindet sich nur noch die hardware, auf der es läuft, ‚jenseits des Abenteuers‘.

Zugeordnete Forschungsprojekte: