Forschergruppe „Philologie des Abenteuers“
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Huckleberry Finn

Essay von Wolfram Ette: "Mark Twain, The Adventures of Huckleberry Finn"

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I Kritik des Abenteuers

Obgleich der Roman The Adventures of Huckleberry Finn den Begriff des Abenteuers im Titel führt, geht er erst einmal auf Abstand zu dieser Erzählform. Vereinfacht gesagt, ist Huck derjenige, der Abenteuer erlebt, Tom dagegen der, der davon redet. Erlebnis und Erzählung stehen in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis. Je mehr ein Leben ausgesetzt und in Gefahr ist, desto weniger wird vom Abenteuer die Rede sein. So erscheint das ‚Abenteuer‘ im Grunde als ein Luxusgut, ein Zuschuss all derer, die es sich leisten können und bei denen weniger als die nackte Existenz auf dem Spiel steht. So ist es vor allem bei Tom, der den Umkreis einer abgesicherten Kleinbürgerexistenz nicht verlässt, ein rationales Verhältnis zum Geld hat, und am Anfang von Huckleberry Finn seinen Freund sogar zur Wiederaufnahme des Schulbesuchs überredet. „I got into my old rags an my sugar-hogshead again, and was free and satisfied. But Tom Sawyer hunted me up an said he was going to start a band of robbers, and I might join if I would go back to the widow an be respectable.“Jim steht am anderen Ende der Skala – ein flüchtiger Sklave, der in ständiger Angst davor lebt, wieder eingefangen und bestraft zu werden. Dementsprechend will er von Abenteuern gar nichts wissen. „I said these kind of things was adventures; but he said he didn’t want no more adventures.“ (80)

Zwischen diesen Polen bewegt sich der Roman. Hucks Flucht vor seinem Vater, die spektakuläre Inszenierung der eigenen Ermordung, die nur knapp gelingt: sie ist ein wirkliches Abenteuer, auch wenn sie so nicht genannt wird. Die Befreiung Jims – also eines bereits freigelassenen Sklaven –, die Tom am Ende inszeniert, ihr lächerlich verzerrtes Spiegelbild. Ein empirisches Nichts, das durch den permanenten Zuschuss des narrativen Materials, das Tom sich aus der Abenteuerliteratur zusammengelesen hat, ist das ‚Abenteuer‘; das heißt: ‚Abenteuer‘ ist das, was zu einem Abenteuer aufgebläht wird, Betrug und Hochstaplerei – womit sich Tom in Gesellschaft der Hochstapler und Gauner befindet, die Huck und Jim auf ihrer Reise ein Stück weit begleiten.

Dieses rein diskursive Abenteuer ist europäisch geprägt. Toms Quellen entstammen der europäischen Abenteuerliteratur, die er hocheklektisch zu einem einzigen Diskursraum verbindet, aus dem er sich bei passender (d.h. eigentlich bei unpassender) Gelegenheit bedient. Was dabei herauskommt, ist meistens falsch2; schlimmer aber: zu der Situation, in der er und Huck sich befinden, stimmt es nicht. Allgemeiner gesprochen: „Das Abenteuer“ ist ein europäischer Kulturimport, der schon an Ort und Stelle zum romantischen Anachronismus wurde, auf die amerikanische Gesellschaft aber in keiner Hinsicht mehr anzuwenden ist. Alles daran ist schief und falsch; es ist die reinste Prahlerei, die dazu führt, dass die Spezifika der amerikanischen Gesellschaft – die aufgrund ihrer Herkunft und ihrer raschen Entwicklung dem Abenteuer als Erlebniskategorie wohl näher steht als das Europa des 19. Jahrhunderts – vergessen und zugedeckt wird. Was Tom in den zehn letzten Kapiteln von Huckleberry Finn betreibt, ist eine permanente Überschreibung der Wirklichkeit durch die Kategorie des Abenteuers; damit aber die Selbstverfremdung dieser Wirklichkeit durch einen Kulturimport, der mit der Praxis nichts zu tun hat und am Ende sogar dazu führt, dass er sein eigenes Leben in selbstverliebter Phantasterei gefährdet.3

Und mehr noch: Das „Abenteuer“ als ein typisch europäisches Erzähl- und Selbstdarstellungsschema ist nicht bloß unpassend, lächerlich und am Ende sogar selbstgefährdend. Es ist eine zutiefst inhumane Kategorie der Realitätsfeststellung und - gestaltung. Die Befreiung eines bereits freien Mannes wird bei aller Komik auf dem Rücken Jims ausgetragen, der aus Gutmütigkeit und Liebe zu den Jungen, nicht zuletzt aber auch in der Bewunderung des Ungebildeten für Tom, der eben weiß, wie man so etwas macht, sich Ratten und Schlangen in sein Gefängnis setzen und überhaupt alle möglichen Zumutungen über sich ergehen lässt, anstatt einfach herauszuspazieren und – frei zu sein. Das ist die bedenkliche, rassistische, ja sadistische Seite von Toms Abenteuertrug. Er amüsiert sich auf Kosten eines Anderen, sozial weit unter ihm Stehenden; sein riesiges und brutales Unterhaltungs- und Selbstdarstellungsbedürfnis lässt ihn dann sogar auch die eigene Verwundung leicht verschmerzen.

Kontur und formalen Zusammenhang gewinnt dieser grausame Abenteuerscherz erst vor dem Hintergrund von Hucks Entwicklung. Man muss sich klarmachen, was Twain hier grundsätzlich tut: Er macht einen Ausgestoßenen, den Sohn einer Landstreichers, der selbst auch nicht viel mehr ist als ein Landstreicher, zum Gefäß einer Erzählerstimme, wie es sie zuvor nicht gab; er macht diese Figur auch zum Träger eines Humanitätsideals, das sich aus jeder religiösen Bindung gelöst hat und – dem eigenen Anspruch nach – auf der Pragmatik der natürlichen Gleichheit aller Menschen beruht.

Das Entwicklungsschema ist einfach, aber durchschlagend. Huck hilft Jim bei der Flucht – erst nach längerer Zeit fällt ihm überhaupt auf, dass er sich damit eines ungeheuerlichen Verbrechens gegen die „natürliche Ungleichheit“ der Menschen in einer Gesellschaft schuldig macht, in der der Besitz von Sklaven normal ist. Und zwei Mal entscheidet er sich gegen diese „natürliche Ungleichheit“ und folgt den Impulsen, die ihm seine rettungslos verworfene Natur eingibt: nämlich die Flucht nicht anzuzeigen und am Ende Jim sogar befreien zu wollen.4

Auch dies ist vielleicht ein Abenteuer – das Abenteuer einer inneren Entwicklung, die sich auf unbekanntes Terrain vorwagt. Auf dieses Terrain, so Twain, haben die Amerikaner ein besonderes Recht und einen besonderen Anspruch; auf ihm werden hier, trotz und aufgrund der blutigen Entstehungsgeschichte dieser Einwanderergesellschaft, die Kämpfe um Formen der Sozietät ausgetragen, die allen Menschen gleiche Rechte zubilligt; und eben dieses Terrain geht verloren, wenn man es dem bestenfalls lächerlichen, schlimmstenfalls verderblichen europäischen Einfluss überlässt. Das europäische Abenteuer bringt das – so nicht, oder nur andeutend verbalisierte – Abenteuer des amerikanischen Kulturexperiments zum Stillstand, führt es von sich selbst fort, fügt ihm unnötige Rückschläge zu. So stehen Tom Sawyer und Huck Finn in diesem Roman zueinander.5

II Räume und Zeiten des Abenteuers

In Tom Sawyer sind die Abenteuerräume mit der Welt der Toten assoziiert. Es sind unbekannte und unheimliche Innenräume, in denen die beschaulich stationäre Welt dieses Romans sich transzendiert und zu etwas anderem – eben Abenteuerlichem – wird: der Friedhof, das Beinhaus, die Höhle. Auf dem Friedhof werden Tom und Huck Zeuge des Mordes an Dr. Robinson; und sie erleben mit, wie der Mord dem alten Säufer Muff Potter in die Schuhe geschoben wird. Im Beinhaus sehen sie, wie Indianer-Joe und seine zwei Spießgesellen den Schatz entdecken, auf den sie selbst es abgesehen hatten. Die Höhle wiederum ist der zentrale Totenort, dem Tom und Becky fast nicht entronnen wären – anders als der Indianer-Joe, der vor dem verrammelten Ausgang verhungert. Und sie ist der Ort, an dem Tom und Huck den Schatz wiederfinden, der zumindest Tom zu einem wohlhabenden Bürger der Kleinstadt St. Petersburg macht.

All diese Abenteuerräume sind mit dem Indianer-Joe verbunden; sie sind großenteils von ihm definiert. Das Abenteuer, das es in diesem Roman zu bestehen gilt, ist der Kampf zwischen ihm und Tom, der am Ende, wenn auch ungewollt, in einer schrecklichen Weise für Tom entschieden wird.

Es fällt schwer, diese Konstruktion nicht auf die Gewaltgeschichte der Eroberung Nordamerikas, des Landraubs und der Unterwerfung der Indianer zu beziehen. Sie werden über die düstere Figur des Indianer-Joe mit der Totensphäre verbunden, gegen die der Abenteurer antritt und über die er unschuldig siegt. Der gleichsam vertikale Konflikt zwischen der etablierten Welt der weißen Sieger und der indianischen Vorwelt wird reinszeniert und nochmals entschieden. Und dieses Mal wird der Sieg nicht einfach bestätigt, sondern durch den Freispruch des Siegers moralisch überhöht. Der Indianer- Joe ist ein Mörder, ein gewissenloser Verbrecher; für seinen Tod aber kann Tom, der nicht einmal etwas davon wusste, nicht das Geringste.

Von dieser doch irgendwie bedenklichen Ideologie hat sich Huckleberry Finn befreit – was vielleicht auch bedenklich ist. Die indianische Vorwelt spielt keine Rolle mehr, bzw. ist Gegenstand des Ausblicks am Ende, von dem nicht mehr erzählt wird.6 Der Raum dieser Abenteuererzählung ist grundlegend anders strukturiert. Er ist, um im Bild zu bleiben, horizontal. Was den Abenteuerraum in Huckleberry Finn zusammenhält und verbindet, was die verschiedenen, zum Teil stark segmentierten Episoden in einer einzigen Bewegung zusammenschließt; das Medium also, das das übergreifende Syntagma dieser Erzählung – die Befreiung Jims (auf die ein oder andere Weise) – unterformt und materiell bindet, ist der Fluss, der Mississippi, auf dem Samuel Langhorne Clemens (Twains Geburtsname) bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs 1861 als ‚pilot‘ eines Dampfers gearbeitet hat, der Fluss, dem er seinen Autornamen entlehnt und ihn damit als Grundlage seiner spezifischen Erzählweise ausgezeichnet hat.7

In ihr dominieren koordinierende über subordinierende (also paradigmatische über syntagmatische) Strukturprinzipien, das Mündliche über das Schriftliche (im Medium eines geschriebenen Textes), Vielfalt erzeugende über Einheit produzierende Elemente. All dies wird nicht Abenteuer genannt – außer und immerhin im Titel des Romans, der damit die Möglichkeit eröffnet, dass es neben der europäisch depravierten Gestalt des Abenteuers ein anderes geben könnte: das eben, von dem Huckleberry Finn, mit ihm und durch ihn der Fluss erzählt.

Lebt die syntagmatische Organisation eines Textes von der Subordination der virtuell gleichzeitigen Teile, wird in seiner paradimgatischen Basis ein Nacheinander rhythmisch koordiniert. Sprachlich stellt er sich dar im „und“, das Hucks Rede durchgehend strukturiert, indem sie eines ans andere reiht. In einer der eindrucksvollsten Partien des gesamten Romans wird die Aneinanderreihung – neben das „and“ treten „next“ und „then“ – zum Mittel einer hymnischen Evokation des Flusses als Raum einer Glückserfahrung, die einlöst, was Adorno in seinem berühmten Aphorismus Sur l’eau8 nur verspricht:

"It was a monstrous big river down there—sometimes a mile and a half wide; we run nights, and laid up and hid daytimes; soon as night was most gone we stopped navigating and tied up—nearly always in the dead water under a towhead; and then cut young cottonwoods and willows, and hid the raft with them. Then we set out the lines. Next we slid into the river and had a swim, so as to freshen up and cool off; then we set down on the sandy bottom where the water was about knee deep, and watched the daylight come. Not a sound anywheres—perfectly still—just like the whole world was asleep, only sometimes the bullfrogs a-cluttering, maybe. The first thing to see, looking away over the water, was a kind of dull line—that was the woods on t’other side; you couldn’t make nothing else out; then a pale place in the sky; then more paleness spreading around; then the river softened up away off, and warn’t black any more, but gray; you could see little dark spots drifting along ever so far away—trading scows, and such things; and long black streaks—rafts; sometimes you could hear a sweep screaking; or jumbled up voices, it was so still, and sounds come so far; and by and by you could see a streak on the water which you know by the look of the streak that there’s a snag there in a swift current which breaks on it and makes that streak look that way; and you see the mist curl up off of the water, and the east reddens up, and the river, and you make out a log-cabin in the edge of the woods, away on the bank on t’other side of the river, being a woodyard, likely, and piled by them cheats so you can throw a dog through it anywheres; then the nice breeze springs up, and comes fanning you from over there, so cool and fresh and sweet to smell on account of the woods and the flowers; but sometimes not that way, because they’ve left dead fish laying around, gars and such, and they do get pretty rank; and next you’ve got the full day, and everything smiling in the sun, and the song-birds just going it! (118f.)"9

Parataxe statt Hypotaxe, Koordination statt Subordination – ein durchs „und“ vermittelter Erfahrungsfluss: dass diese Regression kein Stumpfsinn ist, zeigt die wundervolle syntaktische Bewegung im Einzelnen, der mikrostrukturelle Rhythmus der Bilder, das Ineinander von Differenz und Wiederholung, Auseinanderfolgen und Ineinandervermittlung der Sinne, all dies aber nicht in blinder Folge, sondern auskomponiert wie in einem Bach-Präludium, von dem ebenfalls wenig bleibt als der Gesamteindruck eines Dahinfließenden, Dahintreibenden, eine Vermittlung im Kleinen und Kleinsten.10

Diese Schicht eines syntaktischen Zusammenhalts, der durch Koordination statt Subordination bestimmt ist, bildet so etwas wie den Daseinsgrund dieser Erzählung. In Tom Sawyer gibt es, soweit ich sehe, dergleichen nicht. Hier überwiegen die syntagmatischen Elemente, die man architektonisch nennen könnte, weil sie im gestalthaften Zusammenhang des Ganzen virtuell gleichzeitig sind. Die ‚dramatische‘ Einheit des Ortes unterstützt diesen Typ von Synthesis. Ihr entspricht ein bestimmter Typ von Spannung: die nämlich, in der die Konstruktion des Ganzen sich in der Erwartungshaltung der Leser:innen reflektiert. Deswegen ist Tom Sawyer nach meinem Eindruck deutlich spannender zu lesen als Huckleberry Finn: und zwar nicht bloß in Bezug auf einzelne Episoden – wie werden Tom und Becky aus der Höhle herausfinden? Wird Muff Potter verurteilt werden? –, sondern auch und vor allem in Bezug auf die Gesamtkonstruktion: Wie wird der Kampf zwischen den Jungen und dem Indianer-Joe ausgehen?

Das heißt nicht, dass der zweite Roman nicht spannend wäre. Seine Spannung ist aber nicht von der Konstruktion des Ganzen her entlehnt. Sie ist nicht „dramatisch“. Er hat keinen oder nur einen rudimentären syntagmatischen Zusammenhang zu bieten.11 Und er desavouiert ihn selbst, indem er die Befreiung Jims in eine Parodie auflöst. Die spezifische Spannung dieses Romans liegt ‚unterhalb‘. Sie kann episodischer Natur sein, zum Beispiel in den Kapiteln, die von der Erbschleicherei der beiden Betrüger, die sich Huck und Jim angeschlossen haben, handeln. Aber selbst das ist eher eine Ausnahme. Die Spannung, aus der Huckleberry Finn lebt, ist meistens situativer Natur. Es ist die Spannung, die in den Szenen liegt, in die Huck als Zeuge hineingerät und die er verlässt, ohne dass sie sich aufgelöst hätten. So zum Beispiel in der Lynchszene, in der der zunächst aufgebrachte, dann eingeschüchterte Mob sich nach einer Weile verläuft. Für wie lange? Wird er wiederkehren? Wir erfahren es nicht, weil Huck zu gehen beschließt: „I could a staid, if I'd a wanted to, but I didn't want to.“ (146) Twain löst die Spannung vom Plot und bindet sie an Situationen, die er miteinander koordiniert. Es entsteht ein Gefühl wie bei einem Road-Movie. Die Bewegung als solche, also die permanente, mikrologische Grenzüberschreitung macht es unterhaltsam und in einem nicht-teleologischen Sinne spannend.

Daraus ergibt sich eine paradoxe Folgerung: dass man nämlich im Abenteuer- Raum, besser: in diesem Abenteuer-Raum, zur Ruhe kommen kann. Das ist das Geheimnis der Road-Movies; und möglicherweise ein starker Grund dafür, dass es die Abenteurer:innen immer wieder in die Ferne zieht. Sie wollen nicht allein die Gefahr, den Kampf, die Bewährung und die Prüfung, in denen es um Leben und Tod geht. Das sind die Bedürfnisse, die Tom Sawyer parodistisch entstellt verkörpert. Sie wollen auch ein Ineinander von Bewegung und Ruhe, Spannung und Entspannung; freudianisch formuliert: eine Triebmischung von Lebenstrieb und Todestrieb in jedem Lebensmoment.

Der Mississippi ist die Großmetapher dieser Lebensform. Nachdem Twains eigenes Leben auf diesem Fluss durch den Bürgerkrieg beendet wurde, hat er ihn zum Gegenstand und Medium seines Erzählens gemacht. Zum Gegenstand, weil er von ihm erzählt; zum Medium, weil er sich von ihm tragen und die temporalen Parameter seines Erzählens vorgeben lässt. Es ist, mit Thomas Mann ausgedrückt, ein „Verharren, das zugleich ein Unterwegssein ist“12.


Endnoten 

1 Mark Twain: The Adventures of Huckleberry Finn. (1884) London: Penguin 1994, S. 11. Nach dieser Ausgabe im Text zitiert.

2 Vgl. zum Beispiel seine Version des Grafen von Monte Christo: „They always dig out with a caseknife – and not through dirt, mind you; generly it's through solid rock. […] Why, look at one of them prisoners in the bottom dungeon of the Castle Deef, in the harbour of Marseilles, that dug himself out that way!“ (236). Der spätere Comte tauschte aber die Rolle mit einem toten Zellennachbarn und wurde als Toter von der Mauer des Chateau d'If ins Wasser befördert.

3 Er wird bei der Flucht angeschossen, scheint aber bis zum Schluss die Gefahr, in der er sich befunden hat, nicht begriffen zu haben: „Tom was the gladdest of all, because he had a bullet in the calf of his leg.“ (264, vgl. 273).

4 S. 92–95; 206–209. „All right, then, I'll go to hell“ (208). Damit beschließt Huck seine Überlegungen und überlegt dann, wie Jim befreit werden könnte.

5 Eine an einen Namen gebundene Chiffre des im Kern destruktiven europäischen Abenteuerdiskurses ist Walter Scott, der den Menschen romantische und unzeitgemäße Verhaltensideale einpflanzte. In Huckleberry Finn treffen Huck und Jim auf das Wrack eines Schiffes, das diesen Namen trägt; in Life on the Mississippi (Kap. 40) macht er ihn indirekt sogar für den Bürgerkrieg verantwortlich: „The South has not yet recovered from the debilitating influence of his books. Admiration of his fantastic heroes and their grotesque ‘chivalry’ doings and romantic juvenilities still survives here, in an atmosphere in which is already perceptible the wholesome and practical nineteenth-century smell of cotton-factories and locomotives; and traces of its inflated language and other windy humbuggeries survive along with it.“ (Mark Twain: Life on the Mississippi. (1883) New York: Collier & Son 1917, S. 333) Die „feud“ zwischen den Grangerfords und den Shepherdsons in Huckleberry Finn (Kap. 17-18) trägt ebenfalls die Züge eines von Scott geprägten hochfeudalen Verhaltenskodexes, der den Protagonisten einige Nummern zu groß geraten scheint. Außerdem handelt es sich um ein tragikomisches reenactment von Romeo und Julia.

6 Nur am Ende wird sie andeutend erkennbar, als Huck sich entschließt, ein weiteres Mal vor der Zivilisation davonzulaufen und die Indianerreservate aufzusuchen (281). Der Vorschlag stammt ursprünglich von Tom Sawyer; ob es mehr als bloße Projektemacherei ist, erfahren wir nicht. In ähnlicher Weise öffnet sich Life on the Mississippi am Ende auf die indianische Vergangenheit. „All this part of the river is rich in Indian history and traditions“ (Life on the Mississippi, S. 472). Zwei kurze Legenden werden erzählt, eine längere wird in den Anhängen aufgeführt.

7 „Mark Twain ist ein Ruf aus der Sprache der Mississippi-Flussschiffer. Er bedeutet ‚Zwei Faden (rd. 3,65 m [...]) Wassertiefe’ (engl. Mark two, durch Dialekt verzogen zu Mark twain, also ‚Markierung zwei' auf dem Faden des Tiefenmessers)“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Twain). Twain übernimmt damit selber das Pseudonym eines Kapitäns, der unter diesem Namen „brief paragraphs of plain practical information“, die sich auf Wasserstände, überflutete Gebiete u.ä. bezogen, in dem Magazin Picayune aus New Orleans veröffentlicht hatte (Life on the Mississippi, S. 401).

8 Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. (1951) Frankfurt a.M.: Bibliothek Suhrkamp 1993, S. 206–208.

9 Weitere prominente „and“-Stellen: 40f. (Hucks Flucht), 147 (Besuch des Zirkus – eine von Hucks größten Glückserfahrungen), 208 (Hucks zweite Entscheidung für Jim), 263 (Befreiung Jims), 276 (Toms Erzählung von der Befreiung).

10 Robert Musil äußert sich sehr abfällig über das ‚und‘, auch wenn er zugibt, dass der beschriebene Weltzustand sich eben nicht anders als durch diese Universal-Konjunktion darstellen lässt, die alle Synthese, einen Abschluss und damit in gewissem Sinne allen Sinn verwüstet. Er schreibt im Mann ohne Eigenschaften: „das Gemeinsame, um das es sich da handelt, ist ein Geisteszustand, der durch keine weitspannenden Begriffe zusammengehalten, durch keine Scheidungen und Abstraktionen geläutert wird, ein Geisteszustand der niedersten Zusammenfügung, wie er sich am anschaulichsten eben in der Beschränkung auf das einfachste Binde-Wort, das hilflos aneinanderreihende ›Und‹ ausdrückt, das dem Geistesschwachen verwickeltere Beziehungen ersetzt; und es darf behauptet werden, daß sich auch die Welt, unerachtet alles in ihr enthaltenen Geistes, in einem solchen der Imbezillität verwandten Zustand befindet, ja es lässt sich das gar nicht vermeiden, wenn man die Geschehnisse, die sich in ihr abspielen, aus dem Ganzen verstehen will.“ (Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, 2 Bände, hg. v. Adolf Frisé, Durchpaginierte Sonderausgabe. Reinbek: Rowohlt 1978, S. 1015; dazu Inka Mülder-Bach: Robert Musil. Der Mann ohne Eigenschaften. Versuch über den Roman. München: Hanser 2013, S. 414-422). Aber Musil unterschätzt das ‚und‘, er unterschätzt seine subversive Kraft, und schließlich auch das, was an formaler, paradigmatischer Feinarbeit auf diesem ‚und‘ aufsitzen kann. Zu Bachs koordinierendem Formbegriff vgl. Gustav Falke: Johann Sebastian Bach. Philosophie der Musik. Berlin: Lukas Verlag 2001, bes. S. 51–69, S. 166ff.

11 Darauf bezieht sich wahrscheinlich Twains „Notice“, die dem Roman vorangestellt ist: „persons attempting to find a plot in it, will be shot.“ (5)

12 Thomas Mann: Joseph und seine Brüder. (1933) Gesammelte Werke IV/V. Frankfurt am Main: Fischer 1990, S. 477.